Кант – Фаренгейт 451


Wenn etwas interessant und berühmt, aber dennoch sehr rätselhaft ist, dann bin ich von Berufs wegen spontan empfänglich für ein sich selbst entzündendes Assoziationsfeuerchen. Bei Kant dauert es nie lange, bis man beim Lesen ins Stocken gerät, sich am Kopf kratzt, gar einschläft¹ – oder an was anderes denkt. Als nun das Titelblatt wie von Geisterhand zu kokeln beginnt, habe ich sofort Ray Bradbury im Verdacht. Davon können auch die kyrillischen Buchstaben nicht ablenken, die wiederum mit der geografischen Lage der ehemals preußischen Metropole zu tun haben müssen und sich per Drag and Drop schnell entschlüsseln lassen. Ich geb’s zu: Meine alternde Fantasie begnügt sich immer mehr mit der Abschweifung, dystopische Tendenzen inbegriffen.

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Narr und Winterkönig*in

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„Wenn es weiter so schneite, dachte sie, würde morgen alles mit Weiß bedeckt sein, und die Rückfahrt nach Den Haag könnte schwierig werden. War es für Schnee nicht viel zu früh im Jahr? Wahrscheinlich würde dafür bald schon irgendein bedauernswerter Mensch dort unten am Pranger stehen. Und dabei liegt es an mir, dachte sie. Ich bin doch die Winterkönigin!

Sie legte den Kopf in den Nacken und öffnete den Mund, so weit sie konnte. Das hatte sie lange nicht getan. Der Schnee war noch so süßlich und kalt wie einst, als sie ein Mädchen gewesen war. Und dann, um ihn besser zu schmecken, und nur weil sie wusste, dass in der Dunkelheit keiner sie sah, streckte sie die Zunge heraus.“ – Daniel Kehlmann, Tyll, 2017

Zum Jahreswechsel noch ein kleines Schneetreiben! – Weil die so vielfach porträtierte böhmische Winterkönigin exakt die illustre Figur ist, die noch perfekt in meine Wer-bin-ich-Serie passt und da ich zuvor Banksy als neuzeitlichen Eulenspiegel bereits ausführlich behandelt habe, nun also zur anderen Sphäre der Gesellschaft und zu einem ganz besonderen Exemplar der Selbstdarstellung. Diese ungewöhnliche Frau hat Daniel Kehlmann in seinem vorletzten Roman „Tyll“ zur literarischen Ikone gemacht. Davon ausgehend ist das kunsthistorische „Profiling“ ein Kinderspiel.

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Calligraffiti in dunklen Zeiten

Erster Versuch einer Neunjährigen


Wenn man erwachsene Kinder hat, ist die Erinnerung an Kindergeburtstage ganz weit weg. Dass solche Events aber auf die Kondition gehen, weiß man noch. Allein die Geräuschkulisse verlangt eine gewisse „Resilienz“, wie man heute sagt. Wenn sich nun ein Kalligrafie-Workshop mit dem Format Kindergeburtstag kreuzt, ist die oben genannte Münchner Ferienfreizeit mit 9 bis 11-Jährigen ganz gut beschrieben. Die acht Stunden werden mit Spielpausen, beaufsichtigt durch Betreuer*innen, aufgelockert. Es ist lustig, überraschend, lehrreich, anstrengend und auch anrührend.

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Und ruhig fließt der Rhein

Blick vom Drachenfels auf Nonnenwerth


Die Dinge bestimmen unser Verhältnis zur Welt. Der Mensch definiert sich radikal neu, seit er sein Leben nicht mehr nach dem natürlichen Licht, sondern nach einem Ding wie der Uhr ausrichtet. Zudem markiert der Entwicklungsstand von Technik und Medien eine emotionale Trennlinie zwischen den Generationen. Man mag sich noch so digital-logisch bemühen, ist der Antrieb dem Geburtsjahr zufolge analog-sozial-romantisch, wie in meinem Fall, dann bleibt er auch so. Aus meiner glücklichen Kindheit wirken darum zwei Dinge nostalgisch nach. Das ist zum einen ein warmtönendes Radio und zum anderen eine Küchenuhr mit ihrer eigenen Darstellung vom Lauf der Zeit.

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1648 – Lang erhoffte Friedenstaube

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Fünf Jahre schließlich dauert der Kongress zu Münster und Osnabrück. Im Ergebnis wird der Westfälische Frieden die maßgebliche diplomatische Referenz für alle späteren Konflikte in Europa. Selbst aus heutiger Sicht ist der Vertragsumfang monströs und detailverrückt. Da fällt einem spontan die Stammtisch-Parole von der europäischen Überregulierung ein. Ein absurder, aber immer wiederkehrender Vorwurf an ein normales Vertragsgefüge. Denn wie bitte sollen alle Interessen gewahrt werden, wenn man sie nicht glasklar definiert und verbindlich aufschreibt? Die so flapsig geforderte Großzügigkeit beim Abfassen von Verbindlichkeiten bezieht sich auch meist auf die Interessen der Anderen. Die eigenen Anliegen dagegen hat man gerne ausführlich getextet, in Schwarz auf Weiß, um sie getrost nach Hause zu tragen. Die Forderung nach simplen Konzepten zeugt vom Unverständnis für das komplizierte zivile Leben – wenngleich die ein oder andere Unternehmensberatung genau das vorschlagen würde. Im Falle des Westfälischen Friedens ist auch leider keine win-win-Situation mehr drin.

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1633 – C'est la guerre! Jacques Callot

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Ein Achselzucken, eine Redewendung: so ist der Krieg! Das Volk sieht keine Chance dem Schicksal zu entgehen. Man muss sein Kreuz tragen, alles ist Fügung, Gott will es!

Da hatte man sich in der Renaissance einen progressiven Humanismus und eine strahlende Zukunft erwartet und jetzt diese deprimierende Rückschläge! Selbst die Natur hat sich gegen Mensch und Tier verschworen, stürzt Europa in die Klimakatastrophe der „Kleinen Eiszeit“, bringt Missernten, Kälte und Hunger und die Religionen sind bei allem kein Trost, sondern das noch größere Übel. Im Grunde kann die Renaissance nicht die große wissenschaftliche Zeitenwende gewesen sein. Denn selbst im Barock beschwört der Klerus mit aller Macht das längst widerlegte ptolemäische Weltbild. Die Sonne dreht sich um die Erde, der Himmel hat sich verdunkelt, Galilei hat Hausarrest. – Weil Gott es so will?

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1618 – Von Rauch und starken Winden

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Im laufenden Jahr 2018 gibt’s nicht wirklich viel feiern. Ein Jahr wie gemacht für posttraumatisch belastende Jubiläen und eine kleine Zeitreise zurück zum mutmaßlichen Ursprung aller deutschen Paranoia – auf den Tag genau vor 400 Jahren beginnt in Böhmen der Dreißigjährige Krieg. Manch einer sucht und findet darin einen genetischen Grund für die dunkle Seite des deutschen Gemüts, die Verzagtheit und Zwanghaftigkeit, das Misstrauen gegenüber lebensfrohen Völkern, das mitunter erbärmliche Temperament zwischen Überschätzung und Minderwertigkeitskomplex. Woher sonst rührt die German Angst, wenn nicht aus dieser schweren frühen Kindheit?

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Neues Friedenslogo gefällig?


Die Frankfurter SCHIRN Kunsthalle hat einen Logowettbewerb abgehalten, um dem Weltfrieden ein zeitgemäßes Branding zu geben. Die Aktion ist an sich bedeutungslos und kaum der Erwähnung wert, wäre sie nicht in ihrer pseudo-politischen Ausrichtung so fadenscheinig und im Ergebnis so unnütz. Aus den eingesendeten Entwürfen hat die hochkarätige Jury schlussendlich einen blauen Punkt ausgesucht. Zwei Designer hatten dieselbe Idee, in verschiedenen Blautönen. Wer Spaß daran hat, mag danach googeln, aber einen blauen Punkt wird man auch so imaginieren können. Kein Grund zur Aufregung, aber vielleicht doch Anlass, sich drei Fragen zu stellen.

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Think positive – all over Europe!


Verkehrte Welt. Da sind uns die USA manchmal mir ihrem Positivismus etwas auf die Nerven gegangen und jetzt müssen wir selbst diese Mentaltechnik anwenden. Um möglichst ein gesittetes Vorbild zu bleiben, während die Amerikaner uns den Mittelfinger zeigen. Sei's drum, die Realpolitik in Europa startet im entscheidenden Wahljahr 2017 mit einem klaren Ja der Niederländer zur Einheit in Vielfalt.

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Pulse of Europe – wir sind die Mehrheit!


Das Wichtigste zuerst: sich in der Öffentlichkeit zeigen und physisch sichtbar werden, deutlich zu machen, dass die überwiegende Mehrheit ein freies und vereintes Europa behalten und gestalten will – das ist die zentrale Botschaft von „Pulse of Europe“, einer überparteilichen Bürgerbewegung, die sich in immer mehr Städten organisiert und der man sich anschließen sollte. Das Wichtigste ist, die sicher geglaubten Dämme nicht einbrechen zu lassen, denn der primitive Populismus drückt mit der penetranten Aggressivität des Wassers dagegen und sickert in jeden noch so kleinen Riss. Angesichts des Brexit-Desasters, der Trump-Katastrophe und des drohenden Rechtsrucks in den Niederlanden und Frankreich, sind alle Luxusprobleme erst mal nachrangig. Das Wichtigste ist ein klares Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, zum liberalen Rechtsstaat, zu einem friedlichen, starken Europa!

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